Das Imageproblem - zu sauer und zu süß

Meine Oma hat immer gesagt, Riesling trinkt sie nicht, der sei ihr zu sauer. Diese klare Meinung hat sich auch bei mir stark eingeprägt. So stark, dass ich erst in den letzten Jahren zum Riesling konvertiert bin.

Vorher, und vor allem in meinen jungen Jahren musste Wein für mich vor allem eins: süß schmecken!
Ich kaufte alles, was das Supermarktregal und die großen internationalen Weinmarken zu bieten hatten: Weine mit der Bezeichnung sweet, halbtrocken, mild, dulce, feinherb (obwohl ich nie verstehen werde, was daran jetzt genau "herb" schmeckt) oder auch einfach: lieblich! Für mich war lange Zeit klar, dass so halt Wein schmeckt. Süß oder sauer, viel mehr gab es in meinem kleinen Geschmackskosmos nicht.

Dann irgendwann kam der Tag, an dem ich zu einem neuen Weintypus fand, oder vielmehr: an dem ein neuer Weintypus zu mir kam! Wir waren zum Essen eingeladen und zur gebratenen Seezunge wurde ein äusserst delikater Riesling Kabinett aus Rheinhessen gereicht. Ich weiss es noch genau: im ersten Moment hat mich die prickelnde Säure und die leichte Süße überrascht, dann allerdings hat der Wein mich einfach gekriegt und vor allem eins: überzeugt! Nie wieder rührte ich überhaupt einen halb trockenen oder gar lieblichen Wein an. Ich schämte mich sogar regelrecht, meinen Gaumen bislang mit diesen pappig süßen Weinen gequält zu haben.

Denn grade diese süßen Weine sind es, die den eigentlich guten Ruf der deutschen Weinwelt in den 1980er Jahren nachhaltig geschädigt haben. Als die sogenannte "Liebfrauenmilch", welche per Definition zwar eigentlich ein deutscher Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete ist, in der Realität aber nicht mehr viel damit zu tun hatte, das europäische Ausland überschwemmte. Die Liebfrauenmilch stammt ursprünglich aus Worms und galt oder gilt als Wein, welcher von den Weinbergen rund um die Liebfrauenkirche in Worms stammt und lieblich ausgebaut wird. Die Hauptrebsorten sind mit mindestens 70% Riesling, Müller-Thurgau, Bacchus, Silvaner und/oder Kerner. Vermehrt wurde die Liebfrauenmilch exportiert da der liebliche Geschmack auch im Ausland viele Liebhaber fand. Der Trend ging jedoch weg von Qualität hin zu Quantität, was dazu führte, dass Liebfrauenmilch meist in Großflaschen oder gar Tetra Packs exportiert wurde. Viele Menschen im Ausland verbinden leider noch heute deutschen Wein mit diesem Erzeugnis. Der deutsche Wein und vor allem der Riesling erarbeiten sich derzeit im In- und Ausland mit Hilfe von großen Marketingmassnahmen wieder ihren rechtmässigen guten Ruf.

Es bleibt zu hoffen, dass noch viel mehr Menschen auf den guten Geschmack kommen und sich trauen, von ihrem angetrauten halbtrockenen oder lieblichen Weg abzukommen und offen zu sein für neues. Riesling ist nicht gleich sauer, obwohl er eine amrkante Säure besitzt. Auch ein lieblicher Wein kann eine derartige Säure besitzen, dass man sich am nächsten Morgen ärgert, dass man nicht direkt die Calciumtablette genommen hat. Die Säure des Rieslings ist genau das, worum uns so viele andere Länder beneiden, denn sie entsteht nur in unseren Weinbauregionen wie Rheingau und Rheinhessen.

Zum Glück sind die Geschmäcker ja verschieden, aber wer die Gelegenheit bekommt, einen Handgemachten Winzerwein, einen tollen Riesling zu verkosten, sollte sich diese Möglichkeit nicht entgehen lassen.

1 Kommentar:

  1. Haha trockener Riesling erwischt uns alle irgendwann und man fragt sich "wie konnte ich früher nur" :-)

    AntwortenLöschen